Gastbeitrag von Andreas Hess: Dienen behinderte Menschen nicht behinderten Menschen dazu sich vollständig zu fühlen?

 

Auszug aus dem Jahresbericht 2014 des Sunrise Interessenverbandes für Menschen mit Behinderung, verfasst vom Vorstandsmitglied Andreas Hess

 

Einer der bekanntesten Vertreter aus dem Fach der Soziologie der Behinderten, Günther Cloerkes schreibt in seinem Standardwerk zur Soziologie der Behinderten: „Das heutige neue soziale Modell von der Behinderung befasst sich mit den sozialen Folgen, die sich aus der Eigenschaft des Behindertseins ergibt. "Behindert" gelten Frauen und Männer, die die als "normal" geltende gesellschaftliche Rollenerwartungen nicht erfüllen können. Dieses Modell ist in seinem Wesen nach gesellschaftspolitisch, weil die Behinderung über die Erwartungshaltung bezüglich der vermissten Fähigkeiten anderer zugedacht ist.“

 

Diese soziale Dimension der Behinderung wird auch in der Publikation von der WHO mit „Internationale Klassifikation von Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit“ schriftlich festgehalten. Darin ging der Begriff „Handicap“, der für die Beeinträchtigung aus sozialen Umfeld steht, in dem neuen Begriff „Behinderung“ auf.  Die Kategorie Behinderung unterscheidet nicht mehr zwischen körperlichen, individuellen und gesellschaftsbezogenen Aspekten.

 

 

In der Realität findet die Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung  unbewusst und ständig statt. Die Autorin Frau Simone Danz formuliert dies in ihrer Arbeit so, „ … dass behinderte Menschen … als eine Stütze für das Phantasma der Vollständigkeit dienen, da sie dem nicht behinderten Gegenüber die Vollständigkeit zuweisen. Daraus resultiert, dass die symbolische Ordnung und institutionalisierte Abwehr vor allem dann Hand in Hand gehen, wenn die „institutionalisierte Besonderung“ eine Entlastung für die individuelle Bewältigung darstellt. Frau Danz sagt auch, dass Behinderung unter anderem durch Mechanismen… immer auf den Mangel verweist und man in der Begegnung mit dem behinderten Gegenüber seiner Nichtvollständigkeit erinnert wird. [1]

 

 

Fazit war, dass das Abrücken vom Begriff „Behinderung“ keine Auswirkungen auf die darunter liegenden Bedeutungsstrukturen hat. Ausgrenzung von Behinderung ist Bestandteil des menschlichen Denkens. Unterstützung erfährt Simone Danz durch Prof. Dr. Barbara Jeltsch-Schudel von der Uni Frankfurt, die sagt: „… auf jeden von uns kommt die Beschäftigung mit dem Themenspektrum „Behindert, alt und dement? - Ausschluss oder Zugehörigkeit? zu. Wenn die Situation dabei schon klar strukturiert und angenehm präsentiert wird, unterstützt das die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit diesen Themen.“

 

Und hier setzt die Vereinsarbeit an. Durch Präsenz auf öffentlichen Plätzen an den beiden Aktionstagen im Sommer und im Winter auf dem Schloßplatz soll Gewöhnung hergestellt und erste Erfahrungsmöglichkeiten angeboten werden. Unter anderem ist es wünschenswert, dass Unsicherheit, Fremdheit und Vorbehalte bei den Erstbegegnungen mit MmB vorweggenommen und dadurch die von der Politik gewünschte Inklusion von MmB gefördert wird.

 

Kommt es später zu einer zufälligen Begegnung mit einem MmB, so entwickeln sich –  durch die Vorwegnahme der ersten oben genannten Impulse – eher Fähigkeiten wie das Vertrauen in die Persönlichkeit und Fähigkeiten von Menschen mit Behinderungen.



[1]  S.77 & S.89 in „Behinderung. Ein Begriff voller Hindernisse“ von Simone Danz, 2011, ISBN 978-3-940087-83-6

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